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Interview VAC anlässlich des 98. Firmenbestehens
Deutschland ist das Land der Hidden Champions. Die VACUUMSCHMELZE (VAC) befindet sich seit Jahren auf der offiziellen Liste dieser Top-Unternehmen und ist eher unter Spezialisten bestimmter Branchen als in der breiten Bevölkerung bekannt. Dabei hat jeder etwas von der VAC im alltäglichen Gebrauch - im Smartphone, im Auto oder sogar in der Kleidung, um nur drei Beispiele zu nennen. Die VAC ist mit ihren innovativen Lösungen, Komponenten und Materialien eines der Unternehmen, das viele Produkte und Technologien überhaupt erst möglich macht – und das seit mittlerweile 98 Jahren. Dieser Geburtstag ist ein Grund mehr, einen Blick hinter die Kulissen der VAC zu werfen, um zu erfahren, was das Unternehmen für die Menschen und die Industrie geleistet hat und welchen Erfindergeist man für die Zukunft erwarten darf. Darüber sprechen wir mit Dr. Ralf Koch, VP Research & Development, der mit seinem 180-köpfigen Team maßgeblich zum Erfolg der VAC beiträgt.
Herr Dr. Koch, was genau macht die VAC?
Die VAC stellt hauptsächlich Produkte für die Elektromagnetik her. Einfach gesagt, entwickeln wir metallische hochwertige Legierungen und Lösungen, die besondere physikalische Eigenschaften besitzen. Zu finden sind unsere spezialisierten magnetischen Werkstoffe zumeist in elektrotechnischen Anwendungen, die die Megatrends E-Mobilität, E- Flight und Industrie 4.0 vorantreiben. Das klingt sehr theoretisch, wenn man aber bedenkt, dass in jedem elektronischen Teil oder Gerät eine derartige Technologie benötigt wird, kann man sich die Relevanz und Verbreitung unserer Produkte vorstellen.
Die VAC ist seit 98 Jahren eines der Unternehmen, das weltweit großen Einfluss auf technologische Entwicklungen hat und viele unserer täglichen Selbstverständlichkeiten ermöglicht oder mitentwickelt hat. Wie kam es dazu?
Das Besondere liegt in unserem Ursprung. Wir haben bereits einige Jahre vor unserer eigentlichen Gründung, im Jahr 1923, ein Verfahren entwickelt, um Metalle im Vakuum zu schmelzen. Dies eröffnete völlig neue technische Möglichkeiten, die bis heute anhalten und nach wie vor eingesetzt werden. Mit diesem Verfahren erschmolzene Legierungen konnten die damaligen Standardlösungen ersetzen, die bis dahin aus extrem seltenen Materialien wie z.B. Platin oder Rhodium gefertigt wurden. Bis heute kommen diese Legierungen in unglaublich vielen Endprodukten zum Einsatz.
In den Anfängen der VAC-Geschichte ermöglichten unsere Technologien die Entwicklung von Temperatursonden, Funk- und Radioröhren, Glühlampendrähten und Komponenten für elektrische Heizelemente. Heute stecken unsere Produkte beispielsweise in elektrischen Motoren für schnelldrehende Turbomolekularpumpen, die in der Halbleiterfertigung benötigt werden. Aber auch hochwertige mechanischen Uhren aus der Schweiz, erreichen die geforderte höchste Präzision durch den Einsatz unserer Legierungen.
Bahnbrechende VAC-Erfindungen der Vergangenheit sind bis heute wichtig und nicht mehr wegzudenken. Womit hat VAC die Welt besonders nachhaltig beeinflusst?
Seit mehr als 2 Jahrzehnten produzieren wir z.B. die Grundlage für einen zuverlässigen Diebstahlschutz im Einzelhandel, und zwar mit unseren Spezialfolien, die in Produktverpackungen versteckt sind oder sogar in hochwertige Kleidung eingenäht werden. Das Prinzip der elektronischen Warensicherung ist relativ einfach in der Anwendung. An der Ware werden Sicherheitsetiketten angebracht. An den Ladenausgängen reagieren diese auf ein magnetisches Feld. Sofern sie nicht an der Kasse deaktiviert wurden, lösen sie beim Verlassen des Einkaufladens ein Warnsignal aus.
Auch die Kommunikation mittels ISDN-Technologie, die um die Jahrtausendwende die Standardtechnologie darstellte, basierte im Wesentlichen auf Kernkomponenten wie dem UK0-Übertrager der VAC – und wie wir alle wissen, war die ISDN-Technologie ein entscheidender Schritt hin zum heutigen digitalen privaten und wirtschaftlichen Leben.
Darüber hinaus haben sich die High-Tech-Anforderungen im Laufe der Jahrzehnte weiterentwickelt. Auch daran sind wir maßgeblich beteiligt. Es gibt heute keinen Sicherungskasten, kein Auto, kein Flugzeug und keine Bahn, die ohne den Einsatz elektromagnetischer Legierungen zuverlässig funktionieren würden.
Ein aktuelles Thema ist für uns die zunehmende Elektrifizierung. Elektromagnetische Entstörung in Industrieelektroniken und in Fahrzeugen sowie die rasante Weiterentwicklung von Elektromotoren erfordert immer neue Produkte. Mittlerweile gehören Entwicklung und Herstellung von Komponenten für Hochleistungs-Elektromotoren und Generatoren zuunserer Kernkompetenz. Ohne unsere Technologie wäre das Laden eines E-Autos weniger sicher, das kabellose Laden eines Smartphones nicht möglich oder die saubere Energiegewinnung aus Wind-, Solar- und Wasserkraft weniger effi zient.
Was macht die VAC seit 98 Jahren so erfolgreich?
Ich würde sagen die hohe Werkstoffkompetenz, das Anwendungs-Knowhow und unsere Fertigungsexpertise. Unser Vorteil liegt darin, dass wir nicht nur Speziallegierungen liefern, sondern auch Produkte, die von unseren Partnern und Kunden ohne weitere Bearbeitung in deren Lösungen integriert werden können. Möglich ist das nur mit hochspezialisierten, motivierten und vor allem innovativ denkenden Mitarbeitern. Ohne unsere Koryphäen und die Freiheit in der Entwicklung und Grundlagenforschung, wäre diese Innovationskraft nicht zu leisten. Unser Wissen wurde seit 98 Jahren aufgebaut und weitergegeben. Viele unserer Mitarbeiter sind schon ihr gesamtes Berufsleben bei der VAC. Projekte wie die Entwicklung von Legierungen für die bereits beschriebenen Sicherheitsetiketten oder die Mitentwicklung des Solarflugzeugs „Solar Impulse“ werden da quasi zu einer persönlichen Passion, die wir als VAC immer ermöglichen und unterstützen.
Diese Kompetenz ermöglicht uns zudem eine enge Zusammenarbeit und gemeinsame Forschung mit Einrichtungen wie etwa dem Paul-Scherer-Institut, dem CERN in Genf und vielen anderen Universitäten bzw. Forschungseinrichtungen.
Und dennoch ist die VAC bis heute ein Hidden Champion ...
Ja, das ist typisch für die Komponentenindustrie. Der Endanwender kann unsere Produkte nicht direkt kaufen und sie in den meisten Fällen nicht einmal sehen. Aber dennoch haben viele Millionen Menschen auf der ganzen Welt unsere Produkte täglich im Gebrauch oder sind zumindest Nutznießer. Das hat durchaus seine Vorteile. Im Vergleich zu den sehr bekannten Unternehmen können wir uns viel mehr um die Forschung, Entwicklung und Produktion kümmern, anstatt maßgeblich die weltweiten Aktienmärkte zu befriedigen. Und der Erfolg gibt uns Recht.
Lassen Sie uns über die Zukunft sprechen. VAC ist in vielen Industriezweigen ganz vorne mit dabei, beispielsweise beim Top-Thema Elektromobilität. Welche Rolle spielen Sie bei aktuellen Innovationen?
Die moderne Elektromobilität ist eines der Felder, das von unseren Entwicklungen profitiert. Meist denkt man dabei an die Kernkomponenten für besonders effiziente und leistungsstarke Elektromotoren für E-Autos. Elektromobilität ist jedoch weit mehr als das Auto oder der öffentliche Verkehr. Wir betreiben Forschung, Entwicklung und liefern auch Komponenten für High-End-Bereiche wie die Formel 1, Formel E, den Hyperloop, für elektrische Luftfahrtprojekte wie den Solar-Impulse oder die ersten autonomen und vollelektrischen Flugtaxis. An diesen Entwicklungen waren und sind wir maßgeblich beteiligt.
Einige Technologien aus diesen Forschungs- und High-End-Projekten finden später Einsatz in der breiten Masse und werden für jeden normal und erschwinglich sein. Für den breiteren Einsatz in E-Fahrzeugen mit Straßenzulassung haben wir eine neuartige Hochleistungslegierung entwickelt. Sie wird unter anderem eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des elektrischen Fliegens einnehmen – und das bei reduziertem Einsatz von wertvollem Kobalt. Weltweit setzen bereits über 30 Automobilhersteller – darunter auch einige der Neuen – unsere Produkte in ihren Fahrzeugen ein.
Nun reden wir bei Elektromobilität aber auch über immer größere Ströme und damit auch über elektromagnetische Störfelder, die es zu dämpfen gilt. Denn ohne eine optimierte elektromagnetische Abschirmung durch unsere nanokristallinen Legierungen wäre beispielsweise eine einwandfreie Übertragung von Daten im Fahrzeug oder der Austausch mit dem Funknetz nicht möglich. Stellen Sie sich Störungen bei der Navigation während des autonomen Fahrens vor. Das hätte katastrophale Folgen. Auch für eine verlässliche Abschirmung bei immer höheren Strömen und Spannungen braucht man Produkte der VAC.
Und gerade weil die Elektromobilität viele Vorteile hat, darf der enorme Verbrauch an elektrischer Energie nicht vergessen werden. Das ist einer der Gründe, weshalb wir seit über 20 Jahren auch ein Kernlieferant für die Solar-, Wind- und Wasserenergie sind, insbesondere wenn es um die Messung von Gleich- und Wechselströmen mittels unserer hochgenauen Stromsensoren geht. Erst kürzlich wurden wir für unseren neuartigen Hochstromsensor mit einem Innovationspreis der Fachzeitschrift „Design & Elektronik“ ausgezeichnet. Anwendung findet dieser in großen Windkraftanlagen, die sich mehr und mehr auf offener See befinden.
Was kann man in den nächsten Jahren von VAC erwarten?
Es ist noch vieles zu entwickeln und die VAC ist aktiver Part in diesem Prozess. Wir haben uns seit sehr vielen Jahren, schon lange bevor es zum Buzzword wurde, die Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Wir haben eine Technologie entwickelt, die es ermöglicht, mit Hilfe von magnetischen Materialien sehr effizient Kälte zu erzeugen. Ich persönlich habe da einen speziellen Wunsch. Zum 100. Geburtstag der VAC wünsche ich mir einen Kühlschrank, der magnetokalorisch kühlt. Dieser Kühlschrank würde deutlich weniger Komponenten, weniger Energie und vor allem keine klimaschädlichen Kältemittel benötigen. Wir forschen seit einiger Zeit daran und die Technologie existiert und funktioniert. Ich bin überzeugt, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis wir diesen Kühlschrank auf dem Markt sehen werden. Hierzu stehen wir mit Partnern in einer sehr engen Entwicklungs- und Industrialisierungskooperation.
Ein weiteres Entwicklungsfeld ist die Medizintechnik. Hier ermöglichen wir mit unseren einzigartigen VACOSHIELD-Kabinen wichtige Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Im Inneren dieser Kabine werden jegliche Felder, inklusive des Erdmagnetfeldes, komplett abgeschirmt. Das Paul-Scherer-Institut hat in unserer Abschirmkabine die geringsten Erdmagnetfeldeinflüsse gemessen, die es weltweit jemals gab. Das ist die Grundlage für wichtige medizinische Forschung und Behandlungen, etwa bei Schlaganfällen oder Alzheimer, ober überall, wo man Hirnströme sehr genau messen muss. Derzeit gibt es eine starke Nachfrage dieser Technologie auf der gesamten Welt.
Innovation ist in der DNA der VAC. Wie schaffen Sie das?
Viele der von uns entwickelten Innovationen waren anfangs Speziallösungen, die heute in der Breite angewendet werden. Wir kommen aus dem Bereich der Materialentwicklung und holen uns oft von dort die Impulse. Aus diesen Materialien entwickeln wir Produkte, die nicht mit der Schmelze abgeschlossen sind. VAC ist zudem sehr stark in der Partnerschaft mit anderen Unternehmen. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit mit der Firma Bender. Es ging darum, ein Produkt für die elektrische Sicherheit beim Laden von E-Fahrzeugen zu entwickeln. Im Fehlerfall – bei Auftreten von Fehlerströmen – sollte ein Sensor selbstständig die Abschaltung des Systems veranlassen. Sowohl die VAC als auch Bender hatten wichtiges Wissen und entscheidende Komponenten für eine Lösung des Problems. Gemeinsam haben wir den benvac-Sensor entwickelt, der heute an nahezu jedem Ladevorgang eines E-Fahrzeugs beteiligt ist.
Mehr als 20 Hersteller von Ladeinfrastruktureinrichtungen (Ladesäule, Wallbox, Kabel, etc.) vertrauen auf die patentierte Lösung der beiden mittelständischen Unternehmen Bender und VAC. Derzeit bauen unsere Kunden ein Netz von über zwei Millionen Ladestationen für Elektroautos auf. Ohne unsere Sensoren wäre schnelles Laden mit hohen Strömen nicht realisierbar und weniger sicher.
Wollen Sie Hidden Champion bleiben?
Wir sind zwar bescheiden, aber dennoch stolz auf das, was wir schaffen und teilen gerne unseren Enthusiasmus mit anderen. Dies ist einer der Gründe, weshalb wir heute miteinander reden. Ich finde zudem, dass die Menschen in einer aufgeklärten Gesellschaft wissen sollten, auf was die Dinge aufbauen, die sie täglich ganz selbstverständlich nutzen. Und ich bin stolz darauf, dass in einer globalen Welt, ein europäisches Unternehmen aus Deutschland, die Schlüsselrolle in sehr vielen Bereichen spielt. Wir gehören nicht zu den weltbekannten Rockstars, aber wir sind ganz vorne mit dabei und verhelfen vielen der Rockstars zu ihrem Erfolg. Das macht uns stolz.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Welches Projekt oder Produkt ist Ihnen denn in all den Jahren ganz besonders ans Herz gewachsen?
Ein Teil ist sicherlich die Elektromobilität – auch die elektrische Fliegerei und unsere neuartigen Legierungen sind mir besonders wichtig. Hier sehe ich wegweisende Veränderungen und dazu haben wir viel beizutragen. Weiter bin ich stolz auf Anwendungen im Bereich der Doppelkupplungsgetriebe. Hier sorgen unsere Dauermagnete mit sehr engen Toleranzen dafür, dass die Position des Schaltgetriebes exakt gemessen werden kann.
Außerdem sind es oft die kleinen Dinge, die etwas ganz Besonderes sind. Beispielsweise habe ich in einem Südafrikaurlaub ein Straußenei in der Hand gehabt, auf dem ein Diebstahl-Sicherheitsetikett mit VAC-Technologie angebracht war. Das war ein unglaubliches Erlebnis und zeigt, wie vielfältig Dinge manchmal überall auf der Welt zum Einsatz kommen. Manchmal auch da, wo man nicht damit rechnet.
Herr Dr. Koch, vielen Dank für das spannende Gespräch und die Einblicke in ein Unternehmen, das wenige kennen und dessen Produkte von allen benutzt werden.
Ihr Ansprechpartner
Bei Fragen, Anregungen und Kommentaren stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Kirsten Reising
Marketing & Communications
Standort: Hanau, Deutschland
Tel: +49 6181 38 2342
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